Zukunft für den kleinen Betrieb: Ludwig Horn, Gründer und Betreiber des „A.Horn” und „B.Horn” in Berlin-Kreuzberg, setzt auf Digitalisierung.
Ludwig Horn nennt es Praxis, was ihn zur Gastronomie gebracht hat. Nach dem Abitur eine Tischlerlehre in einem Betrieb, der ihm die Lust am kreativen Handwerk nimmt. Dann lange Auslandsreisen, „Leben im Bus“ und viele Stunden auf seinem Surfbrett. Schließlich Bremen, wo er – das gibt es dort tatsächlich – Freizeit-Wissenschaften studiert. Aber eben nie abschließt. „Ich habe viel Freizeit gemacht und war einfach nie da.“
Nebenbei jobbt er, natürlich in der Gastronomie. Als sein Vater stirbt, rückt die Familie zusammen. Gemeinsam mit seiner Frau zieht er nach Berlin, wo sie gemeinsam das „A.Horn“ eröffnen. Geschwister und Freunde helfen, ein Konzept auszuarbeiten. Sein Bruder macht sich im Nebengebäude mit einem Fahrradladen selbstständig. „Irgendwas zusammen machen“ – ein Plan, den sich die beiden schon als kleine Jungs ausgemalt hatten. Sechs Jahre dauert diese Symbiose nun schon erfolgreich an, im Juni eröffnete Ludwig seinen zweitenLaden, das „B.Horn“.

Ludwig, würdest du die Gastro als etwas bezeichnen, das dich richtig glücklich macht?
Also primär würde ich sagen: die Gastro ist eine Sache, die mir liegt. Es bedeutet eine Menge Stress, sowie körperlichen und geistigen Aufwand – vor allem zeitlich. Mir ist das bewusst, aber ich mache das gerne. Gastronomie und Selbstständigkeit: bedeuten, dass ich Dinge selbst entscheiden kann.
Wie hilft die Digitalisierung, Zeit einzusparen und dein eigener Herr zu bleiben?
Meine ganz persönliche Meinung: das ist gar nicht aufzuhalten. Das ist gerade eine ähnliche Situation wiedamals, als die Handys auf den Markt kamen. Da hat jeder gesagt: „Ich werde nie eins haben, das ist voll peinlich.“ Und jetzt? Haben wir alle eins. Es ist so: Gastronomie funktioniert durch Wettbewerb. Nicht
nur, dass wir uns wechselseitig Konkurrenz machen, vor allem die Systemgastronomie setzt uns „Oldschool-Gastronomen” immer mehr unter Druck. Diese Läden haben Hundertschaften von Leuten, die analysieren, optimieren und Kosten sparen. Da zählt nur Marge, Masse und Zusatzverkauf. Die haben sowohl die Kapazitäten als auch das Geld und nutzen das auch, um immer mehr Gewinne zu erwirtschaften. Personal ist teuer. Ich muss mich also ständig fragen: Kann ich mir das überhaupt leisten, wie kann ich meine Kosten decken?
Kann ein kleiner Betrieb nur dann der Systemgastronomie trotzen, wenn er sich ein Stück weit in deren Richtung bewegt?
Wenn du als „normaler“ Betrieb das Rad nicht ständig neu erfindest, sondern einfach gute Produkte anbietest, musst du andere Wege finden, um mitzuhalten. Da ist die Digitalisierung wirklich eine unglaubliche Hilfe. Digitale Kassensysteme, digitale Personalplanung, digitaler Wareneinkauf, digitale Warenwirtschaftssysteme, digitale Hygieneschulungen. Mit digitalen Lösungen, kann ich ganz genau analysieren, wo meine Schwachstellen liegen und mich um diese kümmern, anstatt mich an allen Fronten gleichzeitig abzuarbeiten. Natürlich macht aber nicht jedes Angebot Sinn. Wenn ich mir zwanzig iPads in die Bude lege, wird der Laden nicht besser laufen.

Wie sehen gute Lösungen bei dir konkret aus?
Wenn ich darauf achte, was zu mir und meinem Laden passt, kann ich mir die Arbeit sehr erleichtern. Digitale Kassensysteme zum Beispiel. Früher wurde alles handschriftlich abgerechnet. Diese Zettelwirtschaft ist aber kaum nachzuvollziehen und wird vom Finanzamt meistens abgelehnt. Außerdem müsste ich wohl eine ganze Turnhalle anmieten, um den ganzen Papierkram aufzubewahren. Zudem kann ich meine Apps selbst verwalten, Preise ändern, neue Gerichte hinzufügen, etc. Bei elektronischen Kassensystemen, die lange
verwendet wurden, musste ich immer einen Techniker anfordern, weil die Programmierung so kompliziert war.Und nicht nur das. Ich kann mir jetzt anzeigen lassen, wie viel ich zu einer bestimmten Tageszeit verdiene. Daraus kann ich schließen, wie viel Personal ich benötige und wie ich meine Öffnungszeiten gestalten muss. Ich habe zudem eine App für meine Personalplanung. Meine Leute können sich mit ihrem Smartphone in den Plan eintragen, können Schichten schieben und tauschen und am Ende des Monats sagt mir die App auf die Minute genau, wer wie viele Stunden gearbeitet hat. Das kann ich dann genau so ans Finanzamt schicken und muss nicht mehr stundenlang herrumrechnen. Dann gibt es noch die Warenwirtschaftssysteme. Da trage ich zum Beispiel ein, wieviel Mehl ich für meine Focaccia benötige. Die App erinnert mich dann rechtzeitig daran, neues zu kaufen, wenn ich eine bestimmte Menge verbraucht habe. Mein Koch kann sich jetzt voll auf die Gerichte konzentrieren und muss nicht mehrmals wöchentlich Strichlisten im Lager führen. All das spart Zeit und Geld und produziert zudem weniger Abfall.
Das heißt, du hast jetzt mehr Freizeit?
Naja, wir Selbstständigen haben ein großes Problem: An vielen Punkten habe ich mir mehr Freiräume erarbeitet und somit endlich mal eine halbe Stunde am Tag frei. Die fülle ich dann direkt wieder damit, einen zweiten Laden zu eröffnen. Aber das ist alles selbstverschuldet (lacht).
TEXT: VALENTIN KARL WAIBEL BILD: MARIAN LENHARD